Sie sind gleich, aber doch so verschieden. Zwillinge stellen ihre Eltern oft vor Herausforderungen. Anne Adel ist psychologische Beraterin, Coach und selbst Zwillingsmama. Hier spricht sie über den Umgang mit Vergleichen, das Spannungsfeld zwischen Gleichbehandlung und individueller Förderung sowie den besonderen Bedarf an Einzelaufmerksamkeit.

Zwillinge. Ein Geburtsdatum. Zwei Persönlichkeiten.

Wer Zwillinge großzieht, kennt diesen scheinbaren Widerspruch: Auf der einen Seite sind sie sich so ähnlich und oft ein untrennbares Team – und auf der anderen Seite könnten sie unterschiedlicher kaum sein. Als Zwillingsmama und psychologische Beraterin erlebe ich das nicht nur in meiner Familie, sondern auch täglich in der Begleitung anderer Eltern. Und immer wieder kommt die gleiche Frage auf: Wie erzieht man zwei Kinder, die gleichzeitig gleich und doch ganz verschieden sind?

Denn genau hier beginnt das Spannungsfeld, das viele Zwillingseltern so gut kennen: Wir wollen gerecht sein, niemanden bevorzugen, beiden die gleiche Aufmerksamkeit schenken. Und doch: Wenn wir alles “gleich” machen, fühlen sich am Ende oft beide nicht wirklich gesehen.

Warum Gleichbehandlung nicht automatisch gerecht ist

Gerade bei Zwillingen geraten Eltern schnell in die Vergleichsfalle – und das nicht nur von außen. Schon kleine Unterschiede im Verhalten oder in der Entwicklung sorgen für Unsicherheit: Warum schläft einer besser als der andere? Warum kann ein Zwilling schon so gut klettern und sein Geschwister kann grad mal alleine rutschen? Warum ist einer so laut und der andere eher zurückhaltend?

Diese Fragen sind normal – und gleichzeitig wichtig. Denn sie zeigen uns: Zwillinge sind keine Kopien voneinander, sondern zwei eigenständige Persönlichkeiten mit ganz eigenen Bedürfnissen. Genau deshalb bedeutet Gerechtigkeit in der Erziehung nicht, alles gleich zu machen – sondern jedes Kind individuell zu begleiten.

Zwillinge: Fünf Impulse für eine achtsame Erziehung

Anne Adel ist psychologische Beraterin, Coach und Mama von Zwillinge
Anne Adel ist psychologische Beraterin, Coach und selbst Zwillingsmama.
  1. Einzelzeiten schaffen – so klein sie auch sind
    Zwillingsalltag bedeutet oft: Alles gemeinsam. Doch gerade deshalb brauchen Zwillinge auch Inseln, in denen sie allein im Mittelpunkt stehen dürfen – ohne Konkurrenz. Das kann ein kurzes Gespräch mit einem Kind beim Zähneputzen sein oder zehn Minuten exklusives Vorlesen.
  2. Vergleiche bewusst vermeiden – auch im Alltagston
    Sätze wie „Dein Bruder kann das aber schon“ oder „Sei doch wie deine Schwester“ rutschen uns allen mal raus – und trotzdem wirken sie tief. Besser: Jedes Kind in seinem Tempo begleiten und Entwicklungsschritte feiern, ohne zu vergleichen.
Baby Zwillinge
Eher lebhaft? Eher anhänglich? Schon früh zeigen sich oft die unterschiedlichen Charaktere bei Zwillingen.
Zwillinge auf dem Balkon
Bei der Erziehung sollten Eltern zurüchkaltend mit Vergleichen sein und jedes Kind so akzeptieren, wie es ist.
  1. Unterschiedliche Temperamente annehmen
    Das eine Kind braucht Struktur, das andere Freiheit? Das ist okay. Eltern dürfen lernen, nicht jedes Bedürfnis mit der gleichen Antwort zu begegnen. Die Botschaft: Ich sehe dich. So, wie du bist.
  2. Konflikte individuell begleiten
    Streit unter Zwillingen wirkt für Außenstehende oft besonders heftig. Wichtig ist: Nicht immer auf “Gleichstand” achten (z. B. beide müssen sich gleichzeitig entschuldigen), sondern genau hinschauen: Wer hat welches Bedürfnis? Und wie kann ich helfen, dass beide gesehen werden?
  3. Perfektion loslassen – Orientierung statt Anspruch
    Als Zwillingseltern müssen wir nicht immer alles perfekt machen. Viel wichtiger ist, dass wir präsent sind, offen bleiben und uns selbst nicht vergessen. Kinder brauchen keine perfekten Eltern, sondern echte, fühlende Menschen, die sie begleiten.

Ein Fazit mit Herz: Zwillinge zu begleiten, ist ein Geschenk – und manchmal ein Drahtseilakt. Es braucht Klarheit, Vertrauen und den Mut, nicht alles doppelt, sondern vieles ganz bewusst zu machen. Wenn wir beginnen, unsere Zwillinge als zwei eigene Persönlichkeiten zu sehen – mit all ihren Unterschieden und Gemeinsamkeiten – dann entsteht genau das, was sie wirklich brauchen: Beziehung statt Vergleich, Verbindung statt Gleichmacherei.

Fotos: Sandra Dörpinghaus // Pexels / Greta Fotografia, Edin Ariel Music, Pixabay, Cottonbro

Quelle: Anne Adel

Beitrag teilen:

Interessante Blogbeiträge

Geschwister: So vermeidest du Streit und R...

Erziehung / Familien-Coaching

Kennst du das auch? Geschwister, die sich oft mehrmals täglich und zum Teil aus nichtigem Anlass streiten? Der Prenzlauer Kinder- und Jugendarzt ür den Landesverband Brandenburg Detlef Reichel rät Eltern zur Gelassenheit.

Weiterlesen

Familienmahlzeiten – wichtig für Kle...

Ernährung

Alle zusammen an einem Tisch: Familienmahlzeiten haben vor allem für Kleinkinder viele Vorteile. Das gemeinsame Essen macht sie neugierig auf neue Lebensmittel und fördert ihre Gesundheit.

Weiterlesen

Vorsicht beim „wilden Knoblauch“ Bärlauch

AKTUELLES

Verwechslungsgefahr mit fatalen Folgen!

Weiterlesen

3 Tipps für: Nachhaltigkeit mit Kindern sp...

Kids

Drei Tipps, um mit Kindern über Wünsche und nachhaltigen Konsum zu sprechen:

Weiterlesen

Interessante Rubriken