Ein Pipi-Unfall im Schlaf? Das nächtliche Einnässen ist oft eine Frage der Entwicklung. Kinderärzte unterscheiden verschiedene Ausprägungen und empfehlen Protokolle sowie Ermutigung.

„Wann Kinder trocken werden, hängt vom individuellen Reifungsprozess ab. Deshalb können Eltern das Trockenwerden auch nicht erzwingen“, erläutert Dr. Ulrich Fegeler, Kinder- und Jugendarzt sowie Mitglied des Expertengremiums des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Kinder, die jenseits des fünften Geburtstages nachts noch einnässen, sind in der Regel schwerer erweckbar und wachen nicht durch das Empfinden einer vollen Blase auf. Zudem ist die automatische Kontrolle über den Blasenentleerungsreflex nicht ausreichend oder verzögert entwickelt. In einigen Familien tritt nächtliches Einnässen gehäuft auf, was für eine genetische Festschreibung spricht. Frühgeborene, Kinder mit ADHS oder Autismus haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko für eine verzögerte Reifung der nächtlichen Harnblasenkontrolle.

Diese unterschiedlichen Ausprägungen gibt es beim Einnässen

Wenn Kinder etwa ab einem Alter von fünf Jahren mindestens einmal im Monat im Verlauf von drei Monaten nachts einnässen und organische Ursachen ausgeschlossen sind, bezeichnen Experten und Expertinnen dies als Enuresis nocturna. Dabei unterscheiden sie diese Ausprägungen:

  • Bei einer Einnässfrequenz von vier oder mehr Tagen/Nächten pro Woche spricht man von einer häufigen (frequenten) Enuresis oder Harninkontinenz.
  • Eine Frequenz von unter vier Mal pro Woche aber mehr als ein Mal pro Monat wird als seltene (infrequenten) Harninkontinenz bezeichnet.
  • Bei einer primären Enuresis war das Kind noch nie länger als sechs Monate trocken.
  • Eine sekundäre Enuresis besteht, wenn das betroffene Kind schon einmal mindestens sechs Monate lang hintereinander trocken war und es dann einen Rückfall gab. Dieser hat dann überwiegend psychologische Ursachen (z.B. Trennung der Eltern, Probleme in der Schule, Wechsel vom Kindergarten in die Schule, Geburt eines Geschwisterkindes).

Für die Diagnose Fragebögen und Protokolle nutzen

Um der Ursache für das Einnässen auf den Grund zu kommen, empfehlen Experten den Eltern, Protokoll zu führen:

  • Ein Blasentagebuch soll über mindestens 48 Stunden das Trinkverhalten (mit Trinkmenge) und die Urinabgabe („Pipiprotokoll“) erfassen.
  • Empfohlen wird zusätzlich eine Registrierung der nassen und trockenen Nächte. Dafür haben Kinderärzte einen motivierenden Sonnen-Kalender entwickelt.
  • Etwa 15 bis 20 Prozent aller Kinder werden bereits durch diese Basismaßnahmen nachts trocken. Eine Dauer von vier Wochen ist meistens ausreichend.
  • Bei fast ausschließlich nassen Nächten sollte allerdings die Kalenderführung nach zwei Wochen beendet, bei deutlicher Verbesserung natürlich auch länger als vier Wochen weitergeführt werden.

„Damit und mit einer ausführlichen körperlichen Untersuchung mit Urinprobe, Befragung und einer Ultraschalluntersuchung der Nieren und Harnwege kann der Kinder- und Jugendarzt körperliche Ursachen ausschließen und einen Therapieplan erstellen“, erläutert Dr. Fegeler.

Nächtliches Einnässen: Diese Therapieansätze werden empfohlen

1) Lob und Ermutigung

Vor dem Schlafen am Abend hilft es, die Trinkmenge zu verringern, aber das Trinken nicht zu verbieten. Das letzte Glas nimmt das Kind idealerweise etwa zwei Stunden vor dem Schlafengehen zu sich. Durch das Aufschreiben der nassen und trockenen Nächte in einem kindgerechten Kalender sollen Kinder das Ziel bewusst und positiv wahrnehmen. Das Lob der Eltern kann trockene Nächte positiv verstärken. „Da Kinder selbst unter dem Einnässen leiden und sich dafür schämen, sollten Eltern unbedingt von Vorwürfen und Bestrafungen absehen. Sie belasten Kinder nur zusätzlich“, rät Dr. Fegeler.

2) Verhaltenstherapie

Führen diese Maßnahmen nicht allein schon zum Erfolg, steht als weitere Therapiemöglichkeit die Behandlung mit der apparativen Verhaltenstherapie (AVT = nächtlicher Weckapparat) zur Verfügung. Als Weckapparat kann eine „Klingelhose“ oder „Klingelmatte“ fungieren. Bei diesen Geräten wird über einen Feuchtigkeitsfühler ein Stromkreis geschlossen und erzeugt ein Klingeln oder Vibrieren bei Nässe. Aus der Erfahrung von Urinfluss und gleichzeitig auftretendem unangenehmem Ton und Wachwerden formt das Hirn den Impuls „Urinfluss stoppen“, sodass auf die Dauer der nächtliche Urinfluss mit einer belästigenden Erfahrung gekoppelt und reflektorisch eingehalten wird. Voraussetzung für eine AVT sind Motivation und Mitarbeit des Kindes und der Eltern. In der Regel funktioniert eine AVT erst ab dem Alter von sieben Jahren. Die Familie muss wissen, dass die AVT über einen Zeitraum von mindestens zwei bis drei Monaten durchgeführt werden muss und insbesondere bei Beginn nicht das Kind, sondern die Eltern wach werden und das Kind wecken müssen.

3) Medikamentöse Unterstützung

Lehnen die Eltern eine AVT-Therapie ab oder wirkt diese nicht zufriedenstellend, kann die Therapie auch mit Desmopressin durchgeführt werden. Auch kritische Situationen wie Klassenfahrten oder Urlaubsreisen können mit einer Desmopressinbehandlung überbrückt werden. Die Therapie mit Desmopressin ist kurzfristig oft erfolgreicher als die Behandlung mit AVT, aber nicht unbedingt nachhaltig. Eine Behandlung mit Desmopressin sollte ausschließlich in enger Begleitung durch den Kinder- und Jugendarzt bzw. die Kinder- und Jugendärztin erfolgen.

Foto: Pexels / Cats Coming

Quelle: Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ)

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