In Deutschland erleiden jedes Jahr etwa 50.000 bis 60.000 Kinder ein Schädel-Hirn-Trauma oder eine Gehirnerschütterung. Die meisten dieser Fälle sind mild und erfordern keinen Klinikaufenthalt. In etwa 5 bis 10 Prozent der Fälle ist jedoch eine stationäre Behandlung erforderlich. PD Dr. med. habil. Peter Zimmermann, Direktor der Klinik für Kinderchirurgie und angeborene Fehlbildungen an den Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden und ausgewiesener Experte in der Behandlung von verunfallten Kindern und Jugendlichen, beantwortet die wichtigsten Fragen zur Gehirnerschütterung bei Kindern und Säuglingen.

Was ist Schädel-Hirn-Trauma/Gehirnerschütterung eigentlich?

Ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ist eine Verletzung des Kopfes, die durch einen Sturz oder einen Aufprall verursacht wird. Dabei kann es zu einer vorübergehenden Funktionsstörung des Gehirns kommen. Eine Gehirnerschütterung stellt die mildeste Form eines SHT dar. Obwohl sie in den meisten Fällen nicht lebensbedrohlich ist, sollte eine Gehirnerschütterung, insbesondere bei Säuglingen und Kindern, ernst genommen und im Zweifelsfall ärztlich abgeklärt werden.

Dr. Peter Zimmermann ist Direktor der Klinik für Kinderchirurgie und angeborene Fehlbildungen an den Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden. 

Welche Symptome treten bei einer Gehirnerschütterung bei Kindern und Säuglingen auf?

Die Symptome einer Gehirnerschütterung können sich bei Säuglingen und älteren Kindern unterscheiden. Bei Säuglingen sind die Anzeichen oft schwerer zu erkennen. Zu den möglichen Symptomen zählen

  • Erbrechen,
  • übermäßige Müdigkeit und
  • Verhaltensänderungen.

Da Säuglinge nicht in der Lage sind, typische Beschwerden wie Kopfschmerzen zu äußern, ist besondere Vorsicht geboten.

Gehirnerschütterung bei Kindern kann sich durch Kopfschmerzen zeigen.

Ältere Kinder hingegen zeigen häufiger klare Anzeichen wie

  • Kopfschmerzen,
  • Übelkeit oder
  • Erbrechen.

Es ist wichtig, Kinder nach einem Unfall genau zu beobachten, da sich Symptome manchmal erst nach Stunden oder sogar Tagen zeigen. Einige Warnzeichen, die eine sofortige ärztliche Untersuchung erforderlich machen, sind

  • Bewusstlosigkeit, die länger als fünf Sekunden anhält,
  • wiederholtes Erbrechen,
  • starke Kopfschmerzen,
  • Krampfanfälle oder
  • deutliche Verhaltensänderungen.
  • Auch sichtbare Verletzungen am Kopf oder Unterschiede in der Pupillengröße sollten ernst genommen werden.

In solchen Fällen ist eine sofortige ärztliche Abklärung notwendig, um schwerwiegendere Komplikationen auszuschließen.

Gehirnerschütterung bei Kindern - vor allem bei Kleinkindern - zeigt sich auch durch Müdigkeit

Wie gefährlich ist eine Gehirnerschütterung bei Kindern und bei Säuglingen?

Gehirnerschütterungen können sowohl bei Säuglingen als auch bei Kindern ernsthafte Folgen haben, müssen aber unterschiedlich bewertet werden. Bei Säuglingen ist das Risiko aufgrund ihres noch unreifen Nervensystems höher. Bei älteren Kindern sind Gehirnerschütterungen in der Regel weniger gefährlich, und die meisten Kinder erholen sich vollständig, sofern keine zusätzlichen Risikofaktoren vorliegen. Dennoch sollten Eltern auf mögliche Langzeitfolgen wie das postkommotionelle Syndrom achten (anhaltende Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrationsprobleme), das bei etwa 10 bis 15 Prozent der Kinder auftreten kann, besonders nach wiederholten Kopfverletzungen. Es ist wichtig, dass Kinder nach einer Gehirnerschütterung ausreichend Zeit zur Erholung haben, bevor sie wieder körperliche Aktivitäten aufnehmen.

Welche präventiven Maßnahmen gibt es, um Stürze von Säuglingen und Kindern zu vermeiden?

Es gibt verschiedene Maßnahmen, um Stürze und Verletzungen bei Kindern zu vermeiden:

  • Im häuslichen Umfeld sollten Schutzgitter an Treppen und Fenstern angebracht, Möbelkanten gepolstert und Stolperfallen beseitigt werden.
  • Babys und Kleinkinder sollten nie unbeaufsichtigt auf erhöhten Flächen wie Wickeltischen oder Betten gelassen werden.
  • Im Freien ist das Tragen eines Helms bei Aktivitäten wie Radfahren oder Skateboarden unerlässlich.
  • Auch auf Spielplätzen sollten Eltern auf sichere Spielgeräte und die Einhaltung von Spielregeln achten.
  • Außerdem ist die Verwendung altersgerechter Kindersitze im Auto ein wichtiger Schutzmechanismus.

Durch diese Maßnahmen können viele Unfälle und Verletzungen vermieden werden.

Ein Helm hilft, eine Gehirnerschütterung bei Kindern zu vermeiden.

Wann ist es notwendig, einen Arzt aufzusuchen oder in die Notaufnahme zu gehen?

Eltern sollten besonders wachsam sein, wenn ihr Kind eine Kopfverletzung erlitten hat. Bestimmte Symptome erfordern eine sofortige ärztliche Abklärung, darunter

  • Bewusstlosigkeit,
  • anhaltende starke Kopfschmerzen,
  • wiederholtes Erbrechen oder
  • ungewöhnliche Schläfrigkeit und Verwirrtheit.
  • Auch Krampfanfälle, Flüssigkeitsaustritt aus Nase oder Ohren sowie eine gespannte Fontanelle bei Säuglingen sind ernstzunehmende Warnsignale.

Die Fontanelle ist eine weiche Stelle im Schädel von Babys, die das Wachstum des Gehirns und die Geburt erleichtert. Die Fontanelle schließt sich meist zwischen dem 12. und 18. Lebensmonat. Falls keine dieser Symptome auftreten, kann es ausreichen, das Kind zu Hause zu beobachten. Dennoch gilt: Im Zweifelsfall lieber einmal zu oft den Arzt aufsuchen, um auf der sicheren Seite zu sein.

Meistens kann das Kind zu Hause bleiben: Wie behandle ich mein Kind?

Zu Hause ist es wichtig, das Verhalten des Kindes genau zu beobachten. Wenn das Kind erbricht, über Kopfschmerzen klagt oder ungewöhnlich müde wirkt, sollte ärztlicher Rat eingeholt werden. Körperliche und geistige Ruhe sind entscheidend, und Aktivitäten wie Bildschirmzeit oder laute, stimulierende Reize sollten vermieden werden. Mindestens 24 bis 48 Stunden Erholung sind notwendig, bevor das Kind wieder normale Aktivitäten aufnimmt.

Bei einer Gehirnerschütterung bei Kindern hilft Ruhe.

Erkennung von ernsthaften Beulen – wie beurteile ich sie?

Eine harte Beule nach einem Sturz ist in der Regel unbedenklich und deutet nicht auf eine schwerwiegende Verletzung hin. Eine weiche, teigige Schwellung hingegen könnte auf einen Bruch oder Riss im Schädelknochen hindeuten – in diesem Fall sollte umgehend ein Arzt konsultiert werden. Eine Beule an der Stirn mit einer weichen Schwellung in der Mitte ist in der Regel harmlos. Trotzdem sollten solche Verletzungen beobachtet und im Zweifelsfall medizinisch abgeklärt werden.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendchirurgie

Bilder: Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendchirurgie // Pexels / cottonbro, Karolina Grabowska, Anastasia Shuraeva, // Freepik PVProductions, Wavebreak Media

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