Gespräch mit dem Kinder- und Jugendmediziner Guido Judex:

Nun ist sie da – die Corona-Impfung für Kinder ab 5 Jahren. Für einige Eltern ist die Entscheidung klar: Sie lassen ihre Kinder impfen. Andere Eltern sind (noch) verunsichert.

Wir versuchen in einem Gespräch mit dem Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Guido Judex, Klarheit zu schaffen.

mampa:
Welcher Impfstoff wird Kindern verabreicht und wie sieht die Dosierung aus?

Guido Judex:
Es wird der Impfstoff der Firmen Biontech Pfizer verwendet. Zur Dosierung eine kurze Erklärung:
Die Erwachsenen, bzw alle über 12-jährigen, erhalten 30 µg Wirkstoff, die in 0,3 ml Impfstoff erhalten sind. Kinder benötigen lediglich 10 µg Wirkstoff. Kinder benötigen eine deutlich geringere Dosis da sie ein besseres, aktiveres Immunsystem haben. Im Rahmen einer sogenannten Dosisfindungsstudie wurden einer kleinen Gruppe von Kindern jeweils 10, 20 oder 30 µg Wirkstoff gegeben. Hierbei zeigt sich, dass die Immunantwort auf 30 µg nicht relevant besser war als auf lediglich 10 µg – bei deutlich besserer Verträglichkeit. 

In den USA sind Strand Ende November rund 3 Millionen 5- bis 11jährige geimpft worden, in Israel und Kanada laufen die Impfungen für diese Altersgruppe seit dem 23. November. Was sagen die Statistiken zur Verträglichkeit der Impfung?


Inzwischen wurden sogar über 5 Millionen Impdosen in der Altersgruppe 5-11-jährigen verabreicht, davon wohl bereits über 1 Million Dosen zweite Impfungen. Schwere Nebenwirkungen, vor allem die Herzmuskelentzündung, vor der sich viele Eltern fürchten, wurden bisher nicht beobachtet. 

Viele Eltern haben Angst vor möglichen Langzeit Auswirkungen. Beeinflusst Impfung der Genetik meiner Kinder? Beeinflusst die Impfung die Fruchtbarkeit meiner Tochter?


Natürlich machen Eltern sich Sorgen um die Gesundheit ihrer Kinder und vor allem das Thema Fruchtbarkeit ist ein sehr emotional besetztes Thema. Veränderungen am Genom des Menschen durch die Impfung sind vollkommen ausgeschlossen. Genauso verhält es sich mit dem Thema Fruchtbarkeit. 


Seit mehreren Jahrzehnten ist bei verschiedenen Impfungen immer wieder diese Behauptung in den Raum gestellt worden. Leider ist es so, dass hier bewusst Desinformation betrieben wird.


Sehr schön wird das gesamte Thema von Herrn Dr. Martin Moder von den Science Busters aus Österreich in seinem YouTube Kanal erläutert (M.E.G.A für Make Europa gscheit again). Diesen Kanal kann ich den Eltern nur ans Herz legen. (https://www.youtube.com/watch?v=ZA8TSvyLhg4)


Das Thema Langzeitfolgen erfordert etwas Erklärung. Viele verstehen darunter Nebenwirkungen die erst viele Jahre nach der Impfung auftreten. Faktisch zeigen sich alle Nebenwirkungen in einem Zeitraum von spätestens bis zu 8 Wochen nach einer Impfung.


Guido Judex,Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin 

Guido Judex studierte Medizin in Regensburg und Johannesburg (Südafrika). Die Weiterbildung zum Kinder- und Jugendarzt an der Kinderklinik St. Hedwig, Regensburg, und Universitätsklinik Erlangen wurde durch eine mehrjährige Weiterbildung in der HNO Heilkunde an der Universität Regensburg unterbrochen. Nach erfolgreicher Beendigung der Facharztweiterbildung übernahm der Vater von vier Kindern 2010 die Praxis seines Vaters, Dr. Eberhard Judex, um die Gemeinschaftspraxis mit Fr. Dr. Bettina Meinel fortzuführen.


Es hieß bislang, dass ein Kind eine Coronainfektion locker weggesteckt, ohne schlimme Symptome. Nun vermehren sich die Hinweise dass das nicht zwingend zu sein muss. Sehen Sie Fälle mit schwerem Verlauf?


Es ist zwar richtig, dass Kinder sehr viel seltener schwere Krankheitsverläufe haben als erwachsene Patienten. 
Das heißt aber nicht, dass schwere Fälle überhaupt nicht auftreten. 


Im Großen und Ganzen sind es 3 Gruppen von Infektionsfolgen, die uns Sorgen machen: Das eine sind schwere Verläufe der akuten Erkrankung mit Lungenbeteiligung und Herzmuskelentzündung. Und auch das gefürchtete Long-COVID-Syndrom gibt es bei Kindern.


Außerdem stellen wir ab und an das sogenannte PIMS-Syndrom fest. Hierbei handelt es sich um eine Multiorganentzündung im Verlauf von auch teils milden COVID-Infektionen. Sehr besorgniserregend ist hierbei die Beteiligung des Herzens und vor allem der Herzkranzgefäße. Immerhin 1/10 dieser Kinder zeigen bisher eine dauerhafte und wahrscheinlich lebenslange Erweiterung der Herzkranzgefäße. Das bedeutet dann natürlich auch eine lebenslange Behandlung mit Medikamenten. 


In der Praxis sehen wir, parallel mit der zunehmenden Zahl von Infektionen, auch schwere Verläufe von akuten Erkrankungen mit Atemnot und ähnlichem, zunehmend Fälle von Long-COVID und auch schwere Fälle von PIMS. 


Zusammenfassend ist COVID eine Infektionskrankheit, die man – aus meiner Sicht – weder als Erwachsener noch bei seinem Kind haben möchte 

Viele Eltern haben Angst davor, sie oder ihr Kind könnten bei der Impfungen eine Herzmuskelentzündung erkranken. Doch wird man davon, dass einer Koronarerkrankung die Gefahr einer traumatischen Herzmuskelentzündung weitaus höher ist. 


Das ist vollkommen richtig. Wie immer am Leben, und insbesondere auch bei COVID ist das nicht schwarz-weiß. Es ist richtig, dass es im Rahmen der Impfung vor allem bei älteren Jugendlichen und jungen, erwachsenen Männern (noch sehr viel seltener bei Frauen) ab und an zu sehr mild verlaufenden Herzmuskelentzündung gekommen ist. Diese sind alle wieder vollständig ausgeheilt und können üblicherweise auch ambulant behandelt werden. Der Krankheitsverlauf beträgt wenige Wochen. 


Im Gegensatz dazu kommt es im Rahmen der Erkrankung COVID-19 häufig zu schweren, auch lebensbedrohlichen und leider auch immer wieder tödlichen Herzmuskelentzündungen. Somit überwiegt das Risiko einer Erkrankung dem Risiko der Impfung um Längen!

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Experten warnen bei Kindern & Jugendlichen vor allem vor long COVID. Bitte klären Sie. Kennen Sie Fälle? Wie beeinflusst long COVID das Leben eines jungen Menschen? 


Long-COVID ist ein Krankheitsbild, zu dem uns noch sehr viele Erkenntnisse fehlen. Bei Kindern und Jugendlichen zeigen sich die auch bei Erwachsenen bekannten Symptome. Diese reichen von einer längerfristigen Einschränkung des Geschmacks und Geruchssinnes, über ausgeprägte Müdigkeit und Abgeschlagenheit bis hin zu chronischen Hautveränderungen – um nur einige zu nennen. 


Wir haben verschiedene Fälle von Long-COVID in der Praxis betreut. Erfreulicherweise baut die Klinik St. Hedwig hier in Regensburg eine Spezialambulanz zu dem Thema auf. Denn aufgrund der Komplexität des Krankheitsbildes benötigt es viel Zeit und viele verschiedene Experten, vom Kinderkardiologen über den Neurologen und Pulmologen bis hin zum Psychiater, die als Team eine Diagnose stellen und Therapien festlegen können. 


Selbstverständlich kann dieses Krankheitsbild für die betroffenen massiv beeinträchtigend sein. Ich glaube jeder kann sich vorstellen was es bedeutet, keinen Geschmacks- oder Geruchssinn mehr zu haben. Besonders schlimm ist es, wenn man nicht nur nichts mehr schmeckt, sondern alle Dinge einen Geschmack annehmen.

Auch wenn eine bisher gesunde Jugendliche plötzlich bis zu 20 Stunden Schlaf am Tag benötigt ist das extrem belastend für die Patientin und die Familie. Zusätzlich können wir hier noch keinerlei Prognosen treffen. Das heißt, wir können den Eltern nicht sagen, wie das Ganze weitergehen wird. Dazu fehlen uns noch die Langzeitdaten. 

STIKO Chef Mertens hat ausgesagt, er würde sein Kind nicht gegen Corona impfen lassen. Eine fatale Aussage ob dramatischen Situation? 


Diese Aussage ist natürlich extrem unglücklich gewählt und Prof. Mertens hat hier bereits zurück gerudert. Er hätte vielleicht einfach sagen können, er würde sein Kind nicht ohne STIKO Empfehlung impfen lassen, die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vorlag. Dass so eine Aussage natürlich bei den Eltern eine massive Verunsicherung auslöst ist selbstverständlich. Das müsste jemandem wie ihm bewusst sein. 


Inzwischen liegt eine, wenn auch etwas schwammige, STIKO Empfehlung vor. Aktuell wird die Impfung für Kinder mit Vorerkrankungen empfohlen. Alle anderen Kinder sollen nach ärztlicher Beratung geimpft werden können. 
Hier wird aus meiner Sicht die Verantwortung von einem Expertengremium auf den Kinderarzt vor Ort verlagert. Persönlich gehe ich aber davon aus dass recht bald eine generelle Empfehlung folgen wird. 

Wie verläuft die Impfkampagne bei ab 12 Jahre alten Kindern bisher? Nutzen Eltern dieses Angebot? Haben Sie Rückmeldung bezüglich der Nebenwirkung? 


Die Impfung bei den über 12-jährigen werden sehr gut aufgenommen, auch bei den 5- bis 11-jährigen besteht eine sehr große Nachfrage. Bei uns in der Praxis wird die Impfung sehr gut angenommen.


Die Kinder vertragen die Impfungen wirklich sehr gut. In sehr seltenen Fällen – weitaus seltener als bei Erwachsenen – berichten die Kinder von Schmerzen an der Einstichstelle, Kopf- und Gliederschmerzen und sehr selten auch von leichtem Fieber.


Bei einzelnen Jugendlichen besteht lediglich am Tag nach der Impfung eine ausgeprägte Müdigkeit. Schwere Nebenwirkungen sind mir bisher hier nicht bekannt geworden. 


Aus dem Kollegenkreis kenne ich bisher genau einen Fall mit einer Myokarditis. Auch diese hat sich so entwickelt, wie es in der Literatur beschrieben ist: Bei milden Symptomen war der Patient 2 Nächte zur stationären Überwachung in der Klinik. Bei der nächsten Kontrolle beim Kinderkardiologen nach 14 Tagen zeigte sich der Herzmuskel bereits wieder vollständig abgeheilt und normalisiert. 

Empfehlen Sie die Impfung bei genesenen Kindern?

Auf jeden Fall. Ja!


Welche Fragen plagen bezüglich der Impfung für Kinder und Jugendliche?

Haben Sie Fragen bezüglich der Impfung für Ihre Kinder? Schreiben Sie uns! Wir versuchen die Fragen zu klären. Mail an redaktion@mampa.eu – Stichwort mampa Leser


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