Zwischen Spaß und tödlichem Risiko


Online-Trends, bei denen sich Jugendliche vor laufender Kamera einer Mutprobe stellen, werden immer kurioser. Mit verbundenen Augen Auto zu fahren oder bunte Waschmittelkapseln zu zerbeißen, sind nur zwei von unzähligen skurrilen Beispielen. Benjamin Thull, Referent für Jugendmedienschutz bei der baden-württembergischen Landesanstalt für Kommunikation (LFK) erklärt, welche Risiken hinter solchen Trends stecken und was Eltern tun können, um ihr Kind vor gefährlichen Mutproben zu schützen.

Bandbreite ist groß

Sogenannte Online-Trends, auch Internet-Challenges genannt, verbreiten sich unter Kindern und Jugendlichen rasend schnell: Auf sozialen Plattformen wie Instagram, Facebook oder YouTube kursieren immer wieder neue Mutproben und Herausforderungen, die sie dazu auffordern, peinliche oder riskante Aufgaben zu lösen.


Die Bandbreite der Ideen ist groß – und nicht alle Trends sind gleichzeitig auch gefährlich. „Manche Mutproben sind zwar bizarr, aber im Grunde unproblematisch“, erklärt Benjamin Thull, Referent für Jugendmedienschutz bei der LFK Baden-Württemberg.


Hungern für mehr Likes

Auf der anderen Seite gibt es Trends, die gesundheitsgefährdend sind und zu Verletzungen oder Krankheiten führen können. So werden in den sozialen Medien unter anderem immer wieder Inhalte gepostet, die Magersucht zur Schau stellen und verherrlichen. Daraus kann ein gefährlicher Hunger-Wettbewerb entstehen: Minderjährige Kinder und Jugendliche laden Videos ihrer abgemagerten Körper hoch und dokumentieren der Netzgemeinde darin ihre Abnehmerfolge. Ihr Ziel:
Mehr Anerkennung in Form von Likes und positiven Kommentaren.

„Außerdem geht es darum, Zuschauer – in diesem Fall meist andere junge Mädchen – zum Mitmachen zu motivieren“, weiß der Jugendmedienschützer.

Andere Jugendliche filmen sich dabei, wie sie gefährliche Substanzen, etwa den Inhalt von Spülmaschinen-Tabs, konsumieren, auf Dächern hoher Gebäude balancieren oder sich mit brennbarer Flüssigkeit einreiben und anschließend anzünden. „Beliebt ist auch nach wie vor, auf fahrende Züge aufzuspringen oder sich durch ein Unterbrechen der Sauerstoffzufuhr in einen Ohnmachtszustand zu versetzen. Treibt man dieses ‚Spiel‘ zu weit, können irreparable Hirnschäden entstehen, die im schlimmsten Fall sogar tödlich enden.“


Beweisen, dass man dazugehört

Bei fast allen Trends geht es um Selbstdarstellung und darum, seinen eigenen Mut zu beweisen. Sich dabei möglicherweise zu schaden, liegt in der Natur der Sache und ist ein Wagnis, das bewusst in Kauf genommen wird. „Jugendliche erhoffen sich mit solchen Videos Zuspruch und Anerkennung von der Netzgemeinde und stacheln sich gegenseitig an“, so Thull.


„Es gibt professionelle YouTuber, die sogar in die Community reinfragen ,Was sollen wir denn als nächstes machen?‘ oder ‚Was gibt es noch Krasseres?‘ Ihr Ziel ist es, immer noch ein bisschen extremer zu werden.“ Zusätzlicher Druck wird über Nominierungen aufgebaut, indem Jugendliche andere öffentlich dazu auffordern, es ihnen gleichzutun oder sie zu überbieten.


Wird man nominiert, ist es eine Art Ehernkodex, die jeweilige Aufgabe durchzuziehen – so dümmlich sie auch sein mag. „Man will ja schließlich nicht als Loser dastehen.“ Nach Meinung des Jugendmedienschützers handelt es sich dabei um ein entwicklungsbedingtes Risikoverhalten, das unter Minderjährigen schon immer da war und sich im digitalen Zeitalter ins Netz verlagert hat: „So gut wie alle Kinder und Jugendliche kommen irgendwann in ein Alter, wo sie ihre Grenzen austesten und zeigen wollen, dass sie zu einer sozialen Gruppe dazugehören. Während sie sich ihre Wettkämpfe früher auf der Straße geliefert haben, tun sie es heute über das Internet.“


Nicht mit Sanktionen drohen

Wenn es darum geht, Kinder und Jugendliche von gefährlichen Online-Trends abzuhalten, ist laut Benjamin Thull vor allem eine frühzeitige präventive Aufklärung sowie eine regelmäßige Begleitung ihrer Internetnutzung wichtig. Das funktioniere insbesondere bei jüngeren Kindern noch recht gut. Schwieriger werde es, sobald mobile Endgeräte ins Spiel kommen. „Spätestens ab der weiterführenden Schule, also mit zehn oder elf Jahren, besitzt nahezu jedes Kind ein eigenes Smartphone. Dann lässt sich nicht mehr so leicht überwachen, welche Inhalte konsumiert oder über Soziale Netzwerke geteilt werden.“ Entscheidend sei deshalb vor allem eine offene Kommunikation sowie Kinder und Jugendliche zu ermutigen, Online-Trends kritisch zu hinterfragen und sie für die Gefahren zu sensibilisieren. Wichtig dabei ist, ihnen nicht mit harten Sanktionen, wie zum Beipsiel einem Handyverbot, zu drohen. Denn angekündigte Strafen können dazu führen, dass die Kommunikation abreißt und Jugendliche sich die Videos trotzdem heimlich anschauen. Eltern, aber auch Lehrer, sollten sie stattdessen darin bestärken, mit ihnen über solche Trends zu reden, ohne dass sie irgendwelche Konsequenzen fürchten müssen. Außerdem sollte man sie darüber aufklären, dass einige Videos möglicherweise gar nicht echt sind.

Auf keinen Fall sollte man auf die Idee kommen, die entsprechenden Videos online zu teilen und und weiterzuverbreiten, um andere davor zu warnen. „Je mehr im Netz Wind um die Sache gemacht wird, umso mehr Aufmerksamkeit und Nachahmung erfährt das Ganze“, so Thull.

Besser sei es, potenziell gefährliche neue Trends direkt mit anderen Eltern, Lehrern oder Schulsozialarbeitern zu besprechen. Außerdem besteht die Möglichkeit, jugendgefährdende Inhalte dem Team von jugendschutz.net oder der Kommission für Jugendmedienschutz zu melden. „Bei vielen Trends stehen die Chancen zum Glück gut, dass sie so plötzlich wieder verschwinden, wie sie gekommen sind.“


Quelle: www.polizeideinpartner.de

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