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“Du bist doof!” Verletztende Kommunikation fängt im Kindesalter an an. Kinder hören unschöne Sprüche im Kindergarten oder zuhause und setzen sie dann selber ein. Ob diese Worte verletzen können, können sie womöglich nicht einschätzen. Klar ist, dass wir Eltern hier Vorbild sein müssen. Wenn unsere Kinder Sätze wie “Wenn du das machst, hab ich dich nicht mehr lieb” hören, überschreitet das Grenzen. Wie erleben Kinder “Gewalt”-Kommunikation? Was macht das mit ihren jungen Seelen? Wie bringen wir unseren Kindern eine gewaltfreie Kommunikation bei?

Wir haben uns mit Familiencoach Hanna Grubhofer unterhalten:

Wie äußerst sich „Gewalt“-Kommunikation bei Kindern? Fängt es bereits beim „Du bist doof!“ an? Oder beim „Jetzt mag ich dich nicht mehr!“?

Ich würde bei Kindern nicht davon sprechen, dass sie Gewalt anwenden, sondern dass sie, wie alle Lebewesen, sich ausdrücken etwas sagen oder handeln, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Und das kann, wenn sie es nicht anders gelernt haben, gewaltvoll für das Gegenüber sein. Im Unterschied zu uns Erwachsenen, lernen sie primär aus dem Nachmachen und sind noch am Strategien aneignen. Für sie ist es daher keine “Gewalt”, wenn sie “Du bist doof” sagen, sondern ein Ausdrücken ihrer Gefühle und ihrer Bedürfnisse, mit den Werkzeugen, die sie bisher gelernt, sich abgeschaut haben. Und ja, wenn man es mit den Augen der Gewaltfreien Kommunikation sieht, sind beide Aussagen gewaltvoll. Das Ziel der Gewaltfreien Kommunikation ist es, Wege zu finden, wie wir unsere Gefühle und Bedürfnisse klar ausdrücken und zu einem Weg finden, diese Bedürfnisse zu erfüllen und die Bedürfnisse von anderen zu berücksichtigen. Und es geht ganz viel bei Kindern darum, ihren Schmerz, ihren Unmut auszudrücken und dafür Worte zu finden. Wenn ein Kind “Du bist doof” sagt, dann steckt da meist eine ganz große Enttäuschung dahinter, eine Verletzung. Diese gilt es als Erwachsener zu erkennen und dem Kind Worte für diesen Schmerz zu geben. Wenn der Schmerz gesehen, gehört wird, ist die “Notwendigkeit” dem anderen einen Schmerz als “Ausgleich” zu geben, viel geringer.

Das ist übrigens nicht nur bei Kindern so, sondern bei uns allen!


Foto: Privat

Hanna Grubhofer 
ist Mutter von sieben Kindern, Psychologin, Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation, Mediatorin, Familiencoach und Autorin.

In ihrem neuen Buch „Was brauchst du jetzt?“ geht es umgewaltfreie Kommunikation und Selbstfürsorge für Kinder.

Sie hat bereits die Erwachsenen-Ratgeber „Zauberbuch Familienfrieden“ und „Zauberbuch Familienfrieden konkret“ veröffentlicht.


Ab welchem Alter können Kinder eine verletzende Kommunikation bewusst einsetzen? In jungem Alter wissen sie womöglich nicht, was sie mit ihren Worten anrichten könnten?

Ich finde es schwierig, hier ein bestimmtes Alter einzusetzen, da es ja um das Verhalten geht, das sie in der Familie, im Kindergarten, in der Schule gelernt haben. Wann und wo wurden sie mit Worten verletzt und haben das übernommen? Wie viele Eltern setzen Sätze ein wie “Wenn du jetzt nicht kommst, dann geht die Mama/der Papa” oder “wenn du das machst, hab ich dich nicht mehr lieb”. Wenn das der Alltag ist, in dem ein Kind aufwächst, lernen sie von Anfang an die verletzende, angstmachende, manipulative Verwendung von Sprache. Wenn Kinder dann ihrem Alter entsprechend ein gleiches Verhalten setzen, ist das genau die gleiche Taktik, die sie gelernt haben und nun auch anwenden. Und dieses Verhalten ist schon unter Kindern im Kindergartenalter erlebbar.

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Können Sie uns Beispiele von verletzender Kommunikation bei Kindern aufzählen?

Lieber gebe ich Beispiele von wertschätzender, friedvoller Kommunikation: es geht darum, bei sich zu bleiben, seine eigenen Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken und nicht dem Anderen die Verantwortung für seine Befindlichkeit zu geben.

Statt: “Du bist faul, immer muss ich alles selber machen” beschreiben, was man wahrnimmt, wie es einem damit geht und weshalb. z.B.: Wenn ich sehe, dass du gerade aus dem Fenster siehst, sorge ich mich ein wenig, da mir gemeinsame Verantwortung oder Mitarbeit im Haushalt wichtig ist. Kannst du mir sagen, ob und wann du bereit bist, dein Zimmer aufzuräumen?” – Daraus kann sich ein Gespräch ergeben, weshalb das Kind vielleicht gerade nicht kann, welches Bedürfnis gerade wichtiger ist (z.B. ein Problem im Kopf durchgehen, etwas verarbeiten, sich ausruhen, weil es Kopfweh hat,…) oder es kann sagen, wann es dies gut machen kann.

Verletzend ist in meinen Augen jede Form der Bewertung, sei es positiv (Du hast ein schönes Bild gemalt, das kann die anderen Kinder in der Schule verletzen) als auch negative Bewertung. Es gilt, den anderen auf Augenhöhe zu begegnen und neugierig zu sein: was sind die guten Gründe, weshalb jemand so handelt, wie er oder sie handelt?

Woher haben Kinder negative Begriffe? Kindergarten? Ältere Geschwister? Eltern?

 Ja genau, von überall, und immer mehr aus den Medien…

Wo können wir ansetzen? Ein „… das sagt man aber nicht….!“ reicht vielleicht nicht aus? Wie können wir unseren Kindern erklären, dass Worte verletzen können?

Indem wir mit ihnen anders reden, von uns lernen sie es!!

Und wenn ein Kind etwas verletzendes gesagt hat, das übersetzen: “Du bist gerade wütend/traurig, weil … deine Sandburg kaputt gemacht hat / das Auto /die Puppe genommen hat und du hättest es gerne noch.” Gehört und wahrgenommen werden in dem, was wirklich in dem Kind gerade lebendig ist, ermöglicht zu lernen sich auszudrücken und nicht verletzen zu müssen. Dass Worte verletzen haben die Kinder meist von Erwachsenen ohnedies schon erlebt, den Schmerz kennen sie, das muss man ihnen nicht sagen. Das müsste man den Erwachsenen sagen, dass sie sich anders verhalten sollen und andere Vorbilder sein sollen.

Wie bringen Sie Kindern eine positive Kommunikation bei? Wie können wir Eltern das tun?

Am besten ist, wenn Eltern, Pädagogen, Menschen im Umfeld von Kindern das vorleben, dann lernen sie es automatisch. Für uns Erwachsene ist es, wie eine neue Sprache zu lernen, wir sind wohl nicht damit aufgewachsen.

Bei Workshops mit Kindern ist es wichtig, ihnen Worte zu geben, für ihre Gefühle, ihre Bedürfnisse, die auszudrücken zu dürfen. Wie unverschämt war es für mich als weibliches (!) Kind zu sagen, was ich will? Ich wurde als frech und vorlaut bezeichnet! Es gilt das, was das Kind sagt, immer ernst zu nehmen, denn das ist die Wahrheit des Kindes. In Kindergärten oder Schulen, wo ich Workshops mache, ist es daher auch ganz wichtig, dass die Pädagogen die Gewaltfreie Kommunikation kennen und die Kinder damit begleiten, sodass es nicht ein einmaliger Event ist, sondern ein neuer Alltag entstehen kann.

In Ihrem neuen Buch geht es darum, herauszufinden, welche Bedürfnisse ein Kind hat. lch stelle mir das durchaus nicht einfach vor. Denn man kann ein Kind kaum fragen: „Was brauchst du?“ Die Frage wird das Kind nicht verstehen. Wie finden wir heraus, welche Bedürfnisse unsere Kinder haben?

Die Bedürfnisse, sind bei uns allen gleich. Es gilt zwischen Strategie und Bedürfnis zu unterscheiden und wenn ich als Erwachsener mit den Bedürfnissen vertraut bin, kann ich mein Kind danach fragen. Und erstaunlicher Weise, wissen Kinder öfters, was sie wirklich wollen, als wir es vermuten. Daher glaube ich eher, dass wir an sich alle mit unseren Bedürfnissen verbunden waren, es uns in unserem Leben abtrainiert wurde, und wir es nun wieder lernen müssen. Selbst Babys drücken schon ihre Bedürfnisse aus, und es gilt, diese wahrzunehmen, zu erkennen, dass sie müde sind, wenn sie sich die Augen reiben, Ruhe und Schlaf brauchen. Dass sie, wenn sie die Hände in die Höhe strecken, Nähe, Berührung brauchen, wenn sie uns anschauen, Austausch, in Beziehung mit uns sein wollen. 

Und wenn sie älter sind, drücken sie oft Strategien aus: “Ich mag ein Eis” wenn sie Hunger haben. Dann kann man fragen: “Hast du Hunger? Oder möchtest du einfach etwas zum Genießen haben?” Wenn sie wild herumhüpfen, können sie Bewegung brauchen, etwas so verarbeiten oder aufs Klo müssen. Dann können wir fragen: „Was brauchst du, Bewegung? Hast du einen Kummer? Oder musst du aufs Klo?“ – wie die Tiere bei “Was brauchst du jetzt?”. Und das ist unsere Aufgabe: ihnen Worte für ihre Bedürfnisse zu geben, sodass sie sich gut und leicht ausdrücken können.

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